Georges-André Kohn
*1932 in Paris, Frankreich
DIE 20 KINDER
Georges-André Kohn
Georges-André Kohn wurde am 23. April 1932 in Paris geboren. Sein Vater, Armand Kohn, war seit Kriegsbeginn Direktor des jüdischen Krankenhauses in Paris. Aufgrund seiner Stellung war die Familie Kohn zunächst vor den Deportationen geschützt. Kurz vor der Befreiung von Paris durch alliierte Truppen im August 1944 wurde sie jedoch verhaftet. Georges-André Kohn, seine Eltern Armand und Suzanne, seine älteren Geschwister Antoinette, Philippe und Rose-Marie sowie die Großmutter Marie-Jeanne wurden am 28. Juli 1944 in das Sammellager Drancy bei Paris gebracht.
Am 17. August 1944 erfolgte die Deportation in das Reichsinnere. Am dritten Tag der Fahrt gelang Philippe und Rose-Marie – gemeinsam mit etwa 30 anderen Gefangenen – die Flucht aus dem Zug. Die anderen Familienmitglieder kamen in Konzentrationslager: Georges-André Kohns Vater Armand wurde ins KZ Buchenwald deportiert und überlebte die Haft. Seine Mutter und seine Schwester Antoinette wurden in das KZ Bergen-Belsen deportiert, Georges-André kam mit seiner Großmutter in das KZ Auschwitz.
Von dem Tod seines Bruders erfuhr Philippe Kohn 1978 von Günther Schwarberg, der die Familie in Paris fand.
Es gibt noch einen Brief, der etwas über Georges-André erzählt. Diesen schrieb der ehemalige französische Häftling Louis Micard 1946 an Armand Kohn:
„Sehr geehrter Herr,
Anfang September 1944 kam in Birkenau ein Transport aus Drancy an, in dem sich Georges Kohn befand, ihr Sohn. Er wurde fast sofort in das Lager D (Arbeitslager) geschickt, wo sich meine Kameraden und ich befanden. Ist es notwendig, Ihnen zu sagen, dass er von uns allen gut empfangen wurde? Jeder von uns gab sich die größte Mühe, ihn den Ort, an dem er sich befand, vergessen zu machen und ihm soviel wie möglich von dem zu verheimlichen, was sich abspielte. Vor allem versuchten wir, den Kummer zu mildern, den er über die Trennung von seiner Mutter empfand, die sich – ebenso wie seine Großmutter und Tante und, wie ich glaube, auch andere Verwandte aus seinem Transport – im Frauenlager befand, das unserem gegenüber lag, auf der anderen Seite der „Rampe“ (Eisenbahnschienen). Einigen gelang es, Briefe dorthin zu überbringen. Auf diese Weise konnte Georges für einige Wochen mit seiner Mutter Briefe wechseln. Dann, eines Tages, kam keine Nachricht mehr aus dem Frauenlager. Georges verzweifelte. Wir trösteten ihn, so gut wir konnten, aber leider ahnten wir wohl, was dieses Schweigen bedeutete.
Wochen vergingen. Eine Selektion von Kindern fand statt. Georges, obwohl gesund, machte einen schwächlichen Eindruck und wir fürchteten, er würde ausgesucht. Kameraden, französische Ärzte des Krankenreviers, wo die Selektionen stattfanden, gelang es, ihn mit künstlicher Hilfe durchkommen zu lassen.
Die schlimmen Tage, es war Winter, kamen. Der Schnee, der Wind, die Kälte, so viele Feinde. Georges ging es gut. Er trug warme Kleidung und – eine seltene Sache! – festes Schuhwerk schützte seine Füße vor Feuchtigkeit. Er arbeitete am Rollwagen. Seine Arbeit bestand darin, vielleicht wissen Sie es, einen Wagen zu schieben oder zu ziehen, in den man die Abfälle und auch das Feuerholz und manchmal Kohle tat. Der Kapo war ein Deutscher, ein Schreihals, der aber nicht sehr streng war und nicht schlug.
Es kamen der Dezember und der Januar. Der schnelle Vormarsch der Russen zwang die Deutschen, das Lager am 18. Januar 1945 zu evakuieren.
Ich verlor den kleinen Georges aus den Augen. Zurück in Frankreich erzählte mir ein Arzt, der in Birkenau gewesen war und den ich in Paris traf, dass er in Deutschland gestorben sei.
Das ist alles, was ich Ihnen an Informationen über Ihren Sohn mitteilen kann. Er war ein sehr lieber kleiner Junge, den meine Kameraden und ich wie einen kleinen Bruder betrachteten. Sein Verschwinden, wenn dies sein Schicksal gewesen ist, wird mehr als einen von uns schmerzen.“